Bilder sind überall. Sie wirken unmittelbar und vertraut, weil wir ihre Darstellung intuitiv mit unseren Erfahrungen verknüpfen. Doch diese scheinbare Leichtigkeit täuscht. Unsere Wahrnehmung bleibt oft an der Oberfläche: Wir sehen, was dargestellt ist, und übersehen, was Bilder in uns auslösen: Imaginationen und Emotionen. Uns fehlen die Kompetenzen, diese verborgene Dimension bewußt wahrzunehmen und kritisch zu hinterfragen.

Während Hochschulausbildungen für Gestalter:innen das Sichtbare – technische Perfektion und ästhetische Oberflächen – in den Vordergrund stellt, liegt die eigentliche rhetorische Kraft der visuellen Kommunikation in einer anderen Dimension. Es sind die Lücken, das Nicht-Dargestellte, die unsere Vorstellungskraft aktivieren. Wo Informationen fehlen oder bewusst ausgelassen werden, entstehen mentale Bilder – Imaginationen. Sie schließen diese Lücken, wecken Emotionen und beeinflussen Verhalten.

Bilder werden zunehmend digital erzeugt und manipuliert. Doch es kommt weniger darauf an, zwischen „echt“ und „fake“ zu unterscheiden, sondern darauf die unsichtbare Wirkungsebene zu verstehen. Welche mentalen Bilder werden ausgelöst? Welche Reaktionen sollen sie hervorrufen? Und wie prägen sie Meinungen? Wie beeinflussen sie Entscheidungen?

Diese unsichtbare Dimension fordert einen Paradigmenwechsel: visual literacy muss sich über das Sichtbare hinaus bewegen. Sie wird zum entscheidenden future skill, der es ermöglicht, nicht nur die manipulative Kraft mentaler Bilder zu erkennen und kritisch zu hinterfragen, sondern sie auch gezielt zu kontrollieren. Diese Kompetenz ist essenziell, um in einer von Bildern dominierten Welt nicht nur passiv zu reagieren, sondern aktiv und verantwortungsvoll handlungsfähig zu bleiben und die Zukunft mitzugestalten.